Fatima by Jürgen Alberts

Fatima by Jürgen Alberts

Autor:Jürgen Alberts [Alberts, Jürgen]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3498000349
Herausgeber: Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
veröffentlicht: 1992-12-15T23:00:00+00:00


20

Athanasios, der Mönch, wartete in seiner Zelle. Bereits gegen drei Uhr begann er seine Exerzitien. Er brauchte die Kraft der Rituale, die Energie der Gebete, die Stille.

Seit er im Kloster Marienberg um Aufnahme gebeten, seit dieser abgelegene Ort im Westerwald zu seiner Heimat wurde, war sein Leben unruhig geworden. Kaum hatte er die Texte erwähnt, die er bei sich trug, kaum war die Sprache auf das Evangelium des Judas Ischariot gekommen, stand er im Mittelpunkt eines aufgeregten Interesses. Wort für Wort mußte er den Mönchen den Text vorlesen, sie lauschten gespannt, ohne ihre Gedanken zu verraten.

Athanasios war freigebig, er ließ den Judas-Bericht kopieren. Zwei Novizen hatten dies zu erledigen. Er sprach mit dem Abt über seinen Antrag, mit der römischen Kurie über den Text zu konferieren. Der zwanzig Jahre ältere Mönch, dessen Mundwinkel beim Sprechen aufgeregt zuckten, machte ihm nicht sehr viel Hoffnung. Tausende von Anträgen lägen dort, soviel er wisse, sei in Rom eine große Villa gemietet, nur um die Schreiben aus aller Welt zu lagern. Wahrscheinlich werde er erst geladen, wenn er nicht mehr unter den Lebenden weile. Ob er denn bereit sei, mit anderen Würdenträgern über das Evangelium des Judas zu disputieren, hatte ihn damals der Abt gefragt. Er hatte dem zugestimmt. Inzwischen war er nicht mehr so sicher, ob er diese Zustimmung nicht zurückziehen sollte. Was konnte er schon über dieses Evangelium sagen?

Gegen sieben Uhr klopfte jemand an seine Zellentür. Athanasios öffnete. Er war bereit. Zwei Brüder führten ihn ins Refektorium, das auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche am Kreuzgang lag. Dort die geistige Speise, hier die weltliche Nahrung. Die Tische standen im Quadrat, die Vorderseite offen, ein Schemel, zu dem er geführt wurde. Im Halbdunkel die anderen drei Seiten, besetzt mit roten und weißen Gewändern. Auf dem hohen Stuhl, ihm gegenüber, ein Bischof, der die Disputation leitete. An den Wänden hohe Kerzen, die dem Speisesaal ein wenig Beleuchtung gaben. Athanasios begann zu zittern.

«Verstehst du unsere Sprache, Bruder, ich meine, verstehst du Deutsch?»

«Ja, ich habe mich darum bemüht.»

«Um so besser. Wir sind heute hier zusammengekommen, um mit dir über die Umstände und die Folgen des vermeintlichen Judas-Berichtes zu sprechen. Wir denken, daran wird auch dir gelegen sein. Nun wollen wir nicht außer acht lassen, daß es übergeordnete Stellen in unserer Mutter Kirche gibt, die über all das zu befinden haben, aber dennoch wollen wir ein solches Gespräch führen. Beantworte uns ganz ruhig die folgenden Fragen.»

«Ja, ich werde es versuchen.»

«Wie bist du zu diesem vermeintlichen Judas-Bericht gelangt? War es Zufall? Hat ihn dir jemand gegeben? Mit welcher Absicht?»

«Es war so, daß ich die ersten Jahre meines mönchischen Lebens die Wege unseres Herrn Jesu nachgehen wollte...»

«Was willst du damit sagen, Bruder Athanasios?»

«Ich stamme von Lesbos, der griechischen Insel, bin dort aufgewachsen, trat früh einem dominikanischen Orden bei, der mich ins Heilige Land schickte. Meine Aufgabe war es, über den Verbleib eines Bruders Auskunft zu erlangen. Ich fand ihn nicht. Und da mir das Geld für die Rückfahrt fehlte, blieb ich und stellte mir eine eigene Aufgabe. Ich wollte



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